Die Inflation: kommt sie oder kommt sie nicht?
Vorstellungen, nach denen hohe Staatsschulden die kommenden Generationen belasten und zwangsläufig schon bald zu Geldentwertung, also zu einer hohen Inflation führen müssten, sind weit verbreitet, aber ein Mythos. Das Horrorszenario Inflation ist auch nach der Finanzkrise von 2008/2009 nie gekommen.
Zwar werden die Corona-Schulden unvorstellbare Summen umfassen und die deutsche Schuldenquote von derzeit knapp 60 Prozent in Richtung 80 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) oder sogar mehr ansteigen lassen. Zum Vergleich: Japan hat seit Jahrzehnten eine Verschuldung von über 200%, ohne dass dadurch die Inflation deutlich höher wäre als in Europa. Denn Schulden allein führen nicht zu Inflation.
Woher kommt das viele Geld und was passiert damit? Die Staaten, die sich verschulden müssen, nehmen Kredite über die Banken auf. Die Notenbanken sowie große Langfristanleger kaufen den Banken viele dieser Staatsanleihen ab. Damit bleiben die Zinsen niedrig. Prognosen gehen noch für Jahrzehnte von niedrigen Zinsen aus.
Hinzu kommt die hohe Sparneigung. Sehr viel Geld liegt auf Konten und befindet sich nicht in Umlauf. Daran ändert auch und gerade Corona nichts. Im April sank die Inflationsrate für die Eurozone auf 0,3%. Dies ist sehr problematisch, denn es zeugt von der viel zu geringen gesamtwirtschaftlichen Nachfrage, die das massive Eingreifen des Staates erforderlich macht. Erst wenn die Wirtschaft wieder richtig in Gang kommt, kann sich die Inflationsrate allmählich dem von der Europäischen Zentralbank (EZB) für sinnvoll gehaltenen Zielwert von 2% annähern (von dem sie schon seit langem weit entfernt ist). Erst wenn die Inflationsrate darüber hinaus anstiege, würde — und könnte! — die EZB gegensteuern. Fazit: Wir sollten eher Sorgen vor zu wenig als zu viel Inflation haben.
Autorin: Heide Härtel-Herrmann, Frauenfinanzdienst Köln